Sonntag, 23. November 2008

Roísín Murphy: Discosause mit Animationsprogramm

E-Werk zu Köln, 22.11.08

Bei Roísín Murphy bekommt man noch etwas für sein Geld: Zwei Stunden lang Dancefloor-Beats, ein paar gefühlige Soul-Balladen, atemberaubende Tanzeinlagen, geschätzte 20 verschiedene Outfits und eine blendende Light-Show etwa. Mit ihrem Disco-Zirkus machte die irische Pop-Prinzessin Station im ausverkauften Mülheimer E-Werk.

Madonna hat es vorgemacht: Wer im Disco-Business überleben will, muss nicht nur hart arbeiten, sondern sich zudem ständig neu erfinden. Roísín Murphy, einstige Sängerin der kultigen Triphop-Pioniere Moloko, hat diese Lektion mehr als nur verinnerlicht: Für ihre 2000 Fans im E-Werk huscht sie immer wieder zum Bühnenrand und kehrt mit einem neuen spektakulären Kostüm wieder zurück. Oder zieht sich gleich im Rampenlicht um - zur Freude vor allem des männlichen Publikums.

Bei Roísín Murphy steht - wie im Disco-Metier seit jeher - das Äußere im Zentrum. Und so interessierte den Großteil ihres Publikums denn auch weniger, welches Stück die 35-jährige Irin mit ihrer vielköpfigen Band gerade spielte, solange ein tanzbarer Rhythmus auszumachen war. Die perfekt dargebrachten House, Trip-Hop- und Disco-Nummern ihrer beiden Solo-Alben boten nur die Untermalung für kurzweilige Showelemente: Bei der Moloko-Nummer "I can't help myself" etwa trug Murphy zwei lebensgroße Männerpuppen um den Hals. Das war natürlich spektakulär.

Dabei hatte der Abend auch inhaltlich viel versprechend begonnen: Für die Disco-Nummer "Checkin' on me" und einige soulige Balladen hatte die Band anfangs die Bühne verkleinert, Murphy konzentrierte sich augenscheinlich auf ihre eigentliche Kunst - das Singen - und im E-Werk entstand tatsächlich so etwas wie Atmosphäre.

Nach einer knappen halben Stunde dann Vorhang: Die Band ist wie ausgewechselt, jetzt gibt es Disco-Sause und Animationsprogramm. Wen es an diesem Abend auf die Tanzbretter zog, der bekam bei Roísín Murphy ein erstklassiges Warm-up-Programm. Ob die Sängerin bei all der Arbeit überhaupt registrierte, in welcher Stadt sie gerade war, blieb jedoch bis zuletzt unklar.

Dienstag, 11. November 2008

Keane live: Lasst Radiohead nicht A-ha covern

Zwischen zeitlos-schönen Melodien und triefendem Kitsch verläuft ein schmaler Grat, auf dem die drei Briten von Keane zumeist recht sicher unterwegs sind. Im Palladium jedoch trampelten die Herren den engen Pfad recht großfüßig breit.

Keane sind große Nostalgiker, und ihre Nostalgie hat die Achtziger als Gegenstand: Als Auftakt erklingt im Palladium das unglaublich kitschige Gitarren-Thema aus dem Streifen „Top Gun", bevor die Band um Sänger Tom Chaplin die Bühne betritt. Hinter ihr, auf der riesigen Video-Leinwand, wird derweilen das „Keane Micro System" hoch gefahren, ein Uralt-PCs nachempfundenes Betriebssystem, das gleich die Botschaft des Abends ausspuckt: „Everything fine, cool, sweet".

In der Tat ist bei Keane an diesem Abend vieles schön: Die Band, verstärkt durch Bassist Jesse Quin, gibt ein Harmonie-beladenes, 80 Minuten dauerndes Set zum Besten; die Lichtshow mit ihren prallen Farben und vielen Effekten ist bunt, das Publikum im fast randvollen Palladium ist dankbar und begeisterungsfähig. Die größten Hits der Band, „Somewhere only we know" und „Everybody's changing", werden inbrünstig mitgesungen. Bei den epischen, zeitlos schönen Darbietungen von „This is the last time" und dem nur mit Akustikgitarre dargebrachten „Bend and break" schaffen Keane Gänsehaut-Atmosphäre.

Zuweilen jedoch will die Band zu viel: Dann scheint es, als wollten Keane die Essenz der gut 25 Jahre zurück liegenden „New Romantic"-Epoche finden, wobei sie jedoch über das Ziel hinaus schießen. Mal schrille, mal sedierende Synthie-Einlagen und der vollkommen überhallte Sound machen es immer schwerer, Stücke voneinander zu unterscheiden. Und wo ihre Vorbilder - offenbar Gruppen wie Duran Duran oder Spandau Ballet - auf Pastelltöne setzten, blenden Keane mit intensiven Farben und hitzigen Video-Einspielungen und lenken damit teilweise völlig von ihrer Musik ab.

Keane klängen, als coverten Radiohead A-ha: So formulierte es einmal der britische „New Musical Express". Gerade wenn zwei so unterschiedliche Epochen zusammen funktionieren sollen, kommt es auf das Maß an. Hier trugen Keane insgesamt zu dick auf.

Patrice in Köln: Vom Jüngelchen zur Rampensau

„Ich habe zwei Persönlichkeiten, die sehr oft miteinander kämpfen", brüllt der zuvor noch so schüchtern wirkende Patrice beim Bad in der Menge. So lange sein innerer Kampf so mitreißend ist wie am Donnerstag im ausverkauften E-Werk können wohl zumindest Patrice' Fans mit dessen Persönlichkeitsspaltung hervorragend leben.

Tatsächlich zeigte sich der 29-jährige Singer/Songwriter an diesem Abend zwei sehr verschiedene Seiten von sich, die auf den ersten Blick schwer vereinbar scheinen: Da stand anfangs der schüchterne Junge mit der zugeknöpften Zirkusjacke auf der Bühne, der sich kaum bewegen mochte und sich an seiner kleinen Konzertgitarre festhielt. Der mit leise gezupften Akkorden und zerbrechlicher Stimme beschwor, dies sei „ein Konzert und keine Show" – und das sei ein ziemlicher Unterschied. Hier gehe es schließlich um Musik und nicht um Entertainment.

Eine gute Stunde später hat Patrice seine Meinung offensichtlich geändert: Im Oberhemd stürmt er über die anscheinend viel zu klein gewordene Bühne, springt, tanzt und brüllt Dinge wie „Make some noise" oder „Everybody clap your hands". Die Menge tobt, wirft die Arme in die Luft, lässt sich von dem zur Rampensau gewordenen Patrice dirigieren und bejubelt jede seiner nun doch größeren Gesten. Seine 2000 Fans im E-Werk tanzen, singen und „feiern das Leben", wie Patrice es von ihnen möchte.

Musikalisch ging es indessen noch vielseitiger zu an diesem denkwürdigen Abend: Von balladesken Popnummern wie „Wings of a dove" über Patrice' Reggae- und Skanummern früherer Alben bis hin zu den eher Funk- und Soul-beeinflussten Nummern seines neuen Albums „Free Patri-Ation" reichte das Repertoire. Mit „Pressure Drop" von Toots & The Maytals brachten Patrice und seine hervorragend aufgelegte Band auch einen echten Sixties-Ska-Klassiker.

Für den in New York und Kerpen lebenden Sänger war es ein triumphales, fast zweistündiges Heimspiel: „Ich kenn ja die Hälfte on euch!", freute sich Patrice beim Bad in der Menge. Die 2000 Fans, die das fast zweistündige Konzert im E-Werk miterlebten, kennen den Sänger nun auch etwas besser.