Sonntag, 10. Mai 2009

Simpy Red in Köln: "Guten Abend Hamburg"

Simply Red in der Lanxess Arena zu Köln, 09.05.2009 (für Kölnische Rundschau)

Wahre Simply Red-Fans sind hart im Nehmen. Mit "Guten Abend Hamburg" begrüßte Rotschopf Mick Hucknall die 15.000 in der Kölner Lanxess Arena - um sich kurz darauf und peinlich berührt für den Fauxpas zu entschuldigen. Dabei hatten Simply Red ohnehin genug hochkarätige Evergreens zu bieten, um letztlich im Guten mit ihren Fans auseinander zu gehen.

Simply Red beginnen den Abend mit der eher unspektakulären Soulpop-Nummer "It's only love", als Mick Hucknall die Bühne betritt. Dem ersten Jubel folgt rasch eine bittere Erkenntnis: Ganz schön alt sieht er aus, der Mann, dessen Markenzeichen noch immer die wallende, rote Lockenpracht ist. Auf der Videoleinwand werden versteinerte Gesichtszüge sichtbar. In seinem maßgeschneiderten blauen Anzug schleicht Hucknall über die Bühne wie Frank Sinatra mit 80. Dabei ist der Mann erst 48.

Ein paar Stücke später wähnt sich der Sänger in Hamburg. Es dauert einige Minuten, bis er seinen Irrtum bemerkt. Er sei am Nachmittag in der Innenstadt gewesen, von allen Seiten angerempelt worden und habe darüber wohl vergessen, wo er sei, entschuldigt er sich für die Peinlichkeit.

Dass die 15.000 Hucknall und seiner Band recht schnell verzeihen, liegt hauptsächlich daran, dass Simply Red auf ihrer Abschiedstour - die Band löst sich nach 25 Jahren endgültig auf - jede Menge "Greatest Hits" im Gepäck haben. Zum letzten Mal gibt es die ganzen Soul- und Pop-Evergreens der Engländer live - von "A New Flame" über "Thrill me" bis hin zum 1995er Dance-Hit "Fairground". Mit jedem dieser Stücke steigt die Stimmung im Innenraum und auf den vollbesetzten Rängen: Immer mehr erheben sich, beginnen zu tanzen, lassen sich vom dezenten Groove der Band anstecken. Noch einmal wird auch deutlich, dass Simply Red der Welt unsterbliche Soft Soul-Nummern hinterlassen: Bei "For Your Babies" und "Your Mirror" sind viele Fans sichtlich berührt.

Auch Mick Hucknall wird im Laufe des Abends wach: Das Jackett fliegt in die Ecke, hemdsärmelig beginnt er zu seinen eigenen Hits zu tanzen und lächelt milde. Das tut gut, denn ansonsten herrscht auf der Bühne kaum Leben. Alles klingt wie auf CD, bis auf die beiden Background-Sängerinnen wirken die Musiker seltsam unbeteiligt. Nach knapp zwei Stunden und zwei Zugabenblöcken verabschieden sie sich mit Hits wie "Something Got Me Started" und der bewegenden Ballade "Stars", bei der die Bühne in ein Sternenmeer getaucht wird.

So eindeutig Simply Red als Protagonisten der achtziger und neunziger Jahre in Erinnerung bleiben werden, so deutlich wurde am Samstagabend aber auch, dass ihre Zeit vorbei ist. Musikalisch sind Hucknall und Kollegen nie wirklich im neuen Jahrtausend angekommen. Es spricht für sie, dass sie das rechtzeitig erkannt haben und sich würdevoll von ihren Fans verabschieden.

Dienstag, 5. Mai 2009

Lily Allen hat abgenommen

Lily Allen im E-Werk zu Köln, 04.05.2009 (für Kölnische Rundschau)

"Sie hat abgenommen!" - ein junges Mädchen lässt ihrer Begeisterung freien Lauf, als der Vorhang fällt und Lily Allen im hautengen, blauen Kleidchen auf der Bühne erscheint. Glücklicherweise hatte die 24-jährige Engländerin im E-Werk etwas mehr zu bieten als nur das.

Sie habe Angst, dass sich ihr Ruhm weniger auf ihrer Musik als auf ihren von der Boulevardpresse dankbar kolportierten Skandälchen gründe, wurde Allen unlängst zitiert. Nach ihrem Gastspiel in Köln am Montagabend kann sie beruhigt sein: Zwar sorgte ihr Äußeres anscheinend für einigen Gesprächsstoff im Publikum; mit ihrer musikalischen Leistung konnten Allen und ihre gut aufgelegte Band jedoch durchaus nachlegen.

Zuckerbrot und Peitsche: So könnte man ein Konzert von Lily Allen wohl treffend umreißen: Charmant und mit mädchenhaft kecker Stimme trägt sie ihre honigsüßen Melodien vor, doch in ihren Texten rechnet sie gnadenlos und zuweilen gehässig mit allen ab, die ihr nicht in den Kram passen. So direkt, dass man froh sein sollte, nicht zu ihren Feinden zu gehören: Man könnte in ihrem nächsten Stück mit einem süffigen "Fuck you!" bedacht werden. Die gleichnamige Nummer war - aus 1500 Kehlen inbrünstig mitgesungen - wohl eine der Hymnen des Abends.

Nach den ersten Stücken hält die nunmehr zierliche Brünette ihr erstes Glas Champagner in der Hand, es soll nicht das letzte sein. Lily Allen hebt spontan das Rauchverbot im E-Werk auf und pafft eine nach der anderen. Lustvoll kichert sie sich durch den Abend und hat offenbar Spaß. Den gibt sie unmittelbar an ihr überwiegend junges, weibliches Publikum weiter, das vom ersten Stück an tanzt.

Musikalisch präsentiert sich Lily Allen auf ihrem neuen Album "It's not me, it's you" nicht viel, aber doch ein wenig reifer: Nach dem charmanten, aber doch recht einförmigen Pop ihres Debütalbums wagt sie mehr Abwechslung. "He wasn't there", ihr halbwegs ernsthaftes Stück über ihren Vater, gibt sie - nur von Klavier und Gitarre begleitet - in Honky Tonk-Manier zum Besten. Das chansonesque "Never gonna happen" mag gar als Brecht/Weill-Reminiszenz durchgehen.

Höhepunkt des Konzerts war jedoch die als Zugabe dargebotene Version ihres 2006er-Sommerhits "Smile": Den Reggae-Ohrwurm gaben Allen und Band zunächst originalgetreu, dann als elektrisierende Drum'n Bass-Version und schließlich in scheppernder Dub Reggae-Manier zum Besten. Hinterher schob sie die neue Single "The Fear", in der sie beißend ironisch mit der englischen Boulevardpresse ins Gericht geht. "Alles ist cool, solange ich abnehme", singt sie darin. Zum Glück ist das nicht wirklich nötig.