Donnerstag, 22. Juli 2010

Longing For Tomorrow

Serie "Aachen Szene" für Aachener Nachrichten; erschienen am 22.7.2010

Dass man mit deutschen Texten, noch dazu mit recht anspruchsvollen, auch in der weiten Welt Erfolg haben kann, beweist das Aachener Punkrock-Trio Longing for Tomorrow: Nach gefeierten Gastspielen in Brasilien und Russland geben die drei Jungs ihr 300. Konzert am kommenden Mittwoch in der Heimat.

Kurzer Auszug aus einem Songtext der drei Aachener: „Wer Ruhm begehrt, der schwimmt im Zweifel, kilometerweit und hat das Land nicht mehr in Sichte, nicht mal Konturen davon.“ Vielleicht hob Sänger und Gitarrist David Frings mal wieder in einem Flieger ab, als ihm diese durchaus lyrischen Verse einfielen. So viel ist jedenfalls klar: Die Songtexte von Longing for Tomorrow sind schon für deutsche Ohren starker Tobak.

Wie Brasilianer und Russen ihre lyrischen Kleinode interpretieren, wird wohl ihr Geheimnis bleiben. Sicher ist aber: Dieser Punkrock mit Indie-Einschlag kommt auch im Ausland bestens an, wie die Tourneen des Aachener Trios bewiesen haben. Und dass die Jungs hierzulande mächtig rocken, ist sowieso schon länger klar: Ihre kompakten, melodischen Punkrock-Nummern mit den ambitionierten Texten treffen anscheinend genau den Nerv der Zeit.

Aber von vorne: Longing for Tomorrow wurde 2003 von jungen Musikern aus dem Aachener Raum gegründet, wobei man - der Bandname lässt es erahnen - zunächst auf englische Lyrics setzte. 2006 erschien ihr Debütalbum „Structure from Clutter“, dicht gefolgt vom Zweitwerk „Beauty for the blinded eyes“, das noch im gleichen Jahr veröffentlicht wurde. Deutete sich hier der Ehrgeiz der Band schon an, bestätigte er sich in zahlreichen Konzerten in Clubs und auf Festivals.

2008 dann der Stilwechsel: Aus dem Quartett wird ein Trio, aus den englischen Texten werden deutsche, weil Sänger David sich endlich differenzierter ausdrücken will. Und das kommt an: Ihr drittes Album „Idee: Mensch“ (2009) schlägt im In- und Ausland ein. Die Platte wird in mehr als 70 Medien bewertet. „Ein wirkliches Meisterwerk an emotionaler Gitarrenmusik“, schreibt etwa das Ownblood Magazine. Anfragen aus fernen Ländern trudeln ein. Longing for Tomorrow geben gefeierte Konzerte erst in Brasilien, dann in Russland. Allein 2009 spielen die Aachener über 100 Konzerte.

Klar sei ihr Ziel, „so weit zu kommen, wie es geht“, erklärt Bassist Samuel Dickmeis. „Aber unser Antrieb ist, viel rum zu kommen, Leute kennen zu lernen und besser zu werden.“ Kommt man sich denn manchmal ein bisschen wie ein Rockstar vor, wenn man Tausende Kilometer von zu Hause ein großes Publikum in Wallung bringt? Samuel: „Na ja, einmal habe ich nach einer Show in Brasilien eine Stunde bis zur Toilette gebraucht, weil die Leute Autogramme und Fotos haben wollten – da war schon ein klein bisschen Rockstar-Feeling da…“

Das habe sich jedoch spätestens dann relativiert, als man bei anderer Gelegenheit „auf einem Gartenstuhl“ trommeln musste, weil der brasilianische Veranstalter kein Schlagzeug organisieren konnte. Nicht nur deswegen sind David, Samuel und Schlagzeuger Damian Altdorf auf dem Teppich geblieben. Und so spielen sie auch völlig selbstverständlich ihr 300. Konzert zu Hause in Aachen: Kommenden Mittwoch, 28. Juli, rocken Longing for Tomorrow ab 20 Uhr das Nightlife in der Wirichsbongradstraße.

Und danach: Das neue Album ist schon im Kasten und im September steht die nächste Brasilien-Tour auf dem Plan. Man darf also gespannt sein, wie weit die drei Jungs noch kommen.

Donnerstag, 15. Juli 2010

The Mighty Orq

Serie "Aachen Szene" für Aachener Nachrichten; erschienen am 15.7.2010

Als die Achtziger musikalisch zu Ende gingen, kamen die Siebziger wieder in Mode: Rock und Blues kamen zurück, Gitarrensoli durften sich wieder minutenlang hinziehen, Bart und Haupthaar durften wieder sprießen. Nach genau dieser Zeit Anfang der Neunziger klingt das texanische Trio The Mighty Orq, das am kommenden Dienstag im Malteserkeller gastiert.

Charakteristisch für die Achtziger war der kühle, synthetische Sound von Synthesizern und Drum-Maschinen gepaart mit einem durchgestylten Äußeren. Davon hatte man Ende des Jahrzehnts aber schon wieder genug: Amerikanische Bands wie die Black Crowes, Blind Melon oder die Spin Doctors waren Teil einer Gegenbewegung, die ihr Heil in der Authentizität der Siebzigerjahre suchte. Es wurde wieder gerockt, geschwitzt und ernsthaft Gitarre gespielt.

Das kann man auch über die drei Texaner von The Mighty Orq sagen, die 20 Jahre nach 1990 sozusagen das Revival des Revivals ausrufen: Southern Rock, Blues und spontane Jams sind die Eckpfeiler, die das selbsternannte „Power Trio“ lustvoll umspielt. Dazu ein funky Groove, virtuose Soli, eine Reibeisen-erprobte Stimme – und fertig ist das Retro-Programm von Mighty Orq (Gitarre, Gesang), Westside Johnny (Bass) und Matt R. Johnson (Schlagzeug, Gesang).

Der in Houston beheimateten Combo hört man ihre Herkunft definitiv an, auch wenn sie in den letzten Jahren wenig Zeit zu Hause verbracht haben dürfte: Mehr als 200 Konzerte stehen jährlich auf ihrem Tourplan und seit ihrem jüngsten Album „To the Bone“ ist die Nachfrage noch einmal deutlich gestiegen. In jenem Album steckt nicht nur das ganze Herzblut der Musiker, für ihr Opus haben die Texaner auch Opfer gebracht: Um die Platte im Studio von Ben Elliott, der schon Aufnahmen von Keith Richards, Eric Clapton und Sheryl Crow veredelte, aufnehmen zu können, versetzten sie fast ihr ganzes Hab und Gut und liehen sich Geld bei ihren Familien. Der Aufwand hat sich wohl gelohnt.

Auf Tour legen The Mighty Orq Wert darauf, jedes Konzert einzigartig zu gestalten: Keine Setlist wird zweimal gespielt und Stücke werden spontan neu interpretiert. Es bleibt immer Spielraum für Jams. Das soll auch am kommenden Dienstag, 20. Juli, um 21 Uhr im Malteserkeller so sein. Fans von handfestem Rock und Blues sollten sich das nicht entgehen lassen.

Donnerstag, 8. Juli 2010

Ulrike Haller und Sick Of It All...

Serie "Aachen Szene" für Aachener Nachrichten; erschienen am 8.7.2010

Feinsinniger Akustik-Pop von Ulrike Haller und Sohn Martin auf der einen, New York Hardcore von Sick of it all auf der anderen Seite: Unterschiedlicher, aber auch viel versprechender könnten die wichtigsten Konzerte in den nächsten Tagen kaum sein.

In der hiesigen Gypsy Swing-Szene ist Ulrike Haller schon lange kein unbeschriebenes Blatt mehr: Nicht nur an der Seite der renommierten Gitarristen Lulo Reinhardt und Birély Lagrène hat sich die Aachener Sängerin mit der klassischen Gesangsausbildung in den vergangenen Jahren einiges Ansehen verschafft. Mittlerweile erfreut sich Haller bei ihren Heimspielen in ihrem Stamm-Etablissement, dem Franz, einer wachsenden Fangemeinde.

Ebenda wagt sich Ulrike Haller nun mit ihrem 19-jährigen Sohn Martin auf die Bühne – und widmet sich erstmals einer ganz anderen Spielart: dem Akustik-Pop. Auf dem Programm stehen dabei überwiegend eigene Stücke, die sie mit ihrem Filius „gemeinsam am Küchentisch“ geschrieben und komponiert hat.

Mutter und Sohn gemeinsam auf einer Bühne? Es ist sicher keine alltägliche Kombination, die das Publikum am Freitagabend im Franz erwartet. Wie es dazu kam, erklärt Ulrike Haller so: Jeder habe zwar seine unterschiedlichen Einflüsse, „doch wir ergänzen uns inspirieren uns einfach musikalisch.“ Dabei spiele der Altersunterschied überhaupt keine Rolle.

Ob nun Jazz oder Pop – textlich bleibt sich Ulrike Haller auch in ihrem jüngsten Projekt treu: „Ich schreibe das, was ich fühle“, sagt sie, „und um dem Publikum etwas zu sagen.“ So handeln ihre Stücke meistens von der Liebe, denn das sei nun mal „die wichtigste Inspiration, die einem das Leben gibt.“

Die familiäre Kombination aus Erfahrung und Jugendlichkeit kann sich hören lassen: Ulrike Hallers geschulte und gleichsam eigentümliche wie berührende Stimme ergänzt sich in der Tat hervorragend mit den eingängigen Arrangements ihres blutjungen Sohnes Martin. Der Junior beweist ein beachtliches musikalisches Talent und die Sängerin stellt auf beeindruckende Weise ihre Vielseitigkeit unter Beweis.

Bei ihrem ersten gemeinsamen Auftritt setzen Haller und Haller übrigens auf namhafte Unterstützung: Mit von der Partie werden der bekannte Jazz-Percussionist Harald Ingenhag und der nicht minder renommierte australische Pianist Sean Mackenzie sein. Los geht es am Freitag um 20 Uhr.

Legenden des New York Hardcore
Von feinsinnigem Akustik-Pop zu aggressivem Hardcore mit ist es ein weiter Weg. Dennoch gehört das Gastspiel der New Yorker von Sick of it all gleichfalls zu den spannendsten Konzerten der nächsten Tage: Denn die Mitte der Achtzigerjahre in Queens gegründete Combo gilt als eine der wichtigsten noch aktiven Vertreter der Hardcore-Szene und schafft es, Anhänger der mittlerweile aufgesplitterten Bewegung unter ihrer Fahne zu vereinen.

Pünktlich zum 25-jährigen Jubiläum haben Sick of it all im April ihr nunmehr 17. Album veröffentlicht: Das „Based on a true story“ benannte Werk begeisterte nicht nur Kritiker und schaffte den Einzug in die deutschen Top-40 – es bewies vor allem eines: Auch nach einem Vierteljahrhundert Bandgeschichte sind die New Yorker Hardcore-Urgesteine kein bisschen leise und qualitativ kaum zu toppen. Und sie sind sich treu geblieben: Noch immer hauen Sick of it all wütende Hardcore-Hymnen raus, mit denen sie Fans der ersten Stunde und junge Hörer gleichermaßen begeistern.

Die Geschichte der Band begann 1985 in einem Proberaum in Queens. Bereits kurze Zeit später wurden Sick of it all zu gefeierten Lokalmatadoren im legendären New Yorker Punkschuppen CBGB’s. Ihren internationalen Durchbruch schaffte die Band 1992 mit ihrem Album „Just look around“, mit dem es ihnen gelang, auch Anhänger aus der Metal-Kurve mitzureißen. Nach dem Meilenstein „Scratch the Surface“ aus dem Jahr 1994 fanden sich Sick of it all schließlich neben Weltstars wie Rage against the Machine oder Aerosmith auf gigantischen Festivals wieder.

Trotz dieser Erfolge blieb die Combo sich selbst und der Szene treu, kollaborierte mit Artgenossen wie Napalm Death oder den Cro-Mags und tourte unermüdlich um die Welt. Ihr Legendenstatus in Hardcore-Kreisen verschaffte ihnen 2007 sogar ein Tribut-Album, auf dem sich namhafte Gruppen wie Hatebreed oder Sepultura an Coverversionen ihrer Stücke versuchten.

Für viele ist Sick of it all bis heute die Hardcore-Band schlechthin – und so kann man ihr Gastspiel im Musikbunker am heutigen Abend durchaus als eine Art Lehrstunde betrachten. Kaum eine aktive Hardcore-Combo hat so viele Nachahmer und Nachfahren in der Szene beeinflusst – und tut es noch.

Sick of it all spielen heute Abend im Musikbunker auf. Als Support sind ab 20 Uhr Ays & The Ice mit von der Partie.

Donnerstag, 1. Juli 2010

Laura Stevenson and the Cans

Serie "Aachen Szene" für Aachener Nachrichten; erschienen am 1.7.2010

Am kommenden Montag kehrt im Autonomen Zentrum Ruhe ein, vorübergehend zumindest. Der Grund: Laura Stevenson and the Cans sorgen mit feinsinnigem Indie Pop für das Kontrastprogramm in der Bunkeranlage, in der es sonst eher lautstark zugeht. Und die sonst so harten Jungs können endlich einmal ihre Freundinnen mitbringen.

Bevor hier ein Missverständnis entsteht: Laura Stevenson and the Cans können auch richtig rocken, es handelt sich schon um eine richtige Band mit Stromgitarren und Schlagzeug, und nicht wenige ihrer Stücke haben durchaus erdigen, schrammeligen Indie-Charakter. Dank ihrer überaus natürlichen, ungekünstelten Ausstrahlung sind Laura und ihre Jungs daher auch in Punk-Kreisen gern gesehene Gäste, wenn der Abend mal etwas entspannter angegangen werden will. Stevensons Mitwirkung in dem Punk-Kollektiv „Bomb the Music Industry“ tut in Sachen Subkultur-Integrität da wohl ihr Übriges.

Am überzeugendsten jedoch ist die 26-jährige Sängerin aus New York in der klassischen Singer-Songwriter-Pose: Wenn Stevenson sich selbst nur mit der Akustikgitarre begleitet, entfaltet ihre sanfte, natürliche Stimme ihre ganze Wirkung. Da dürfen dann auch schon mal Streicher ins Spiel kommen, ohne dass die Angelegenheit zu pathetisch wird. In solchen Momenten lässt sie mit ihrem mädchenhaften Timbre und ihren durchaus nicht immer fröhlichen Geschichten eine gewisse Intimität zu, die bewegt. Den einen oder anderen mag Stevenson mit solchen Stücken an die frühe Cat Power oder an Bon Iver erinnern.

Gemeinsam aktiv sind Laura Stevenson and the Cans erst seit gut drei Jahren, doch insbesondere in der amerikanischen Indie-Szene erlangten sie rasch Bekanntheit. 2009 schließlich stellte die Band nach diversen Singles ihr Debüt-Album mit dem schlichten Titel „A Record“ fertig und die folgende Tour führt sie nun erstmals auch nach Europa.

Wer angesichts des heißen Sommerwetters Lust hat, einen Abend im Bunker des AZ’s zu verbringen, auf dass ihm dort ein wenig warm ums Herz werde, dem seien Laura Stevenson and the Cans dringend empfohlen. Und nein, am kommenden Montag steht in Südafrika kein Spiel auf dem Plan. Los geht’s um 20 Uhr.