Donnerstag, 9. September 2010

Sukilove

Serie "Aachen Szene" für Aachener Nachrichten; erschienen am 9.9.2010

Belgien ist ein kleines Land, doch die hiesige Indie-Szene groß und vielfältig. Das beweisen Bands wie Sukilove: Das Quartett aus Antwerpen braucht sich hinter großen Nummern wie Radiohead oder dEUS jedenfalls nicht zu verstecken. Morgen beschallen Sukilove den Musikbunker mit „körnigen Melodien und angenehmen Misstönen“.

Es ist schon erstaunlich, wie eine solche Band so lange ein Geheimtipp bleiben konnte: Seit Anfang des Jahrtausends sind Sukilove bereits am Werk, haben vier Alben und mehrere EPs veröffentlicht und ihre Klasse von Jahr zu Jahr gesteigert. Vielleicht liegt es daran, dass die Antwerpener noch immer im Schatten von dEUS stehen, den mächtigen Indie-Dinosauriern, die bereits seit Mitte der Neunziger auch außerhalb der Fritten-Hochburg für Furore sorgen.

Vielleicht bedurfte es ihres vierten Albums „Static Moves“ aus dem vergangenen Jahr, damit Sukilove aus dem Schatten treten konnten: Die Platte mit dem programmatisch widersprüchlichen Titel stellt die ganze Bandbreite der Antwerpener unter Beweis und festigt gleichzeitig ihren ganz eigenen Stil, den sie selbst als „technicolor popnoise“ bezeichnen. Ein farbenfrohes Etikett, das dem Inhalt jedoch nur ansatzweise gerecht wird.

Sukilove zeichen sich gewissermaßen durch eine stimmige Zerrissenheit aus: Fluffige Sechziger-Beats treffen auf schwerwiegende Melancholie; in ihren großen, verhallten Räumen breitet sich Klaustrophobie aus. Da wird auf Pianos geklimpert, da verspricht die Akustikgitarre einen schönen Morgen und es wird elfengleich geträllert – bis alles plötzlich und unerwartet gebrochen wird. E-Gitarren sägen sich dissonant durch’s Idyll und lyrisch wird der Blick in den Abgrund gerichtet: „We’re all meat waiting to die“, singt Bandleader Pascal Deweze in „Fear“.

Wer solchen Ausblicken standhält und derlei Kontrasten etwas abgewinnen kann, wird bei Sukilove durchweg belohnt: Schönste Melancholie, die zuweilen an Radiohead erinnert, organisiertes Chaos im Stile von dEUS, Hippie-Sequenzen wie bei Pink Floyd, Elegien wie bei The Cure – Sukilove erweitern ihre Palette mit jedem Stück. Dass sie dabei keineswegs Kopisten und letztlich einzigartig sind, zeichnet sie aus.

„Aufrichtigkeit, Integrität und Qualität“ – diese Attribute bescheinigt das Label von Sukilove seinen Angestellten. Das klingt zwar mehr nach Arbeitszeugnis als nach Bandinfo. Gemeint sein könnten damit jedoch insbesondere die Live-Qualitäten der Belgier. Von denen kann sich der geneigte Indie-Fan am Freitag im Musikbunker aber auch selbst ein Bild machen.

Donnerstag, 2. September 2010

Astronautalis

Serie "Aachen Szene" für Aachener Nachrichten; erschienen am 2.9.2010

Der Mann nennt sich Astronautalis und fühlt sich zwischen den Welten offenbar besonders wohl: Am Samstag gastiert ein musikalischer Tausendsassa aus den Staaten im Autonomen Zentrum, der Elemente aus HipHop, Independent und verschrobenem Rock zu einer überaus spannenden Melange verschmilzt.

1994 geriet ein Kerl weltweit in die Charts, der sich selbst als „Loser“ bezeichnete und doch mit seinem schrägen Mix aus Lofi-Pop, HipHop und Folk extrem erfolgreich sein sollte: Die Rede ist von Beck Hansen, der mit seiner wahnwitzigen Crossover-Philosophie Musikgeschichte geschrieben hat. Über Astronautalis heißt es nun, er klinge, „als ob Beck ein Jahrzehnt später geboren worden und noch stärker von HipHop beeinflusst sei“. Das kann man durchaus so stehen lassen.

Andy Bothwell, wie Astronautalis mit bürgerlichem Namen heißt, wuchs in Florida auf und ist eigentlich ein begnadeter Rapper. Schon zu Schulzeiten legte er sich seinen Künstlernamen zu und verschuf sich großen Respekt als Freestyler: Bei sogenannten „Battles“ trat er gegen andere Rapper an, und reimte aus dem Stehgreif das verrückteste oder wahlweise cleverste Zeug ins Mikro.

Das hätte durchaus so weiter gehen können, Astronautalis wären als Freestyle-Held Ruhm und Ehre sicher gewesen – doch Bothwell schlug seinen Fans zum ersten Mal einen Haken. 2003 veröffentlichte er mit Hilfe verschiedener Gastmusiker sein Debütalbum „You And Yer Good Ideas“, auf dem er kurzerhand sein eigenes Sound-Universum erschuf: Funky Grooves, Synthesizer-Orgien, Elektro-Beats, Slide-Gitarren und Rap-Gesang kamen da zu einer skurrilen Symbiose zusammen und verlangten bodenständigen Szenevertretern einiges ab: Den HipHoppern war das zu melodisch und zu verspielt, den Alternativen zu elektronisch und HipHop-lastig. Als der Amerikaner auf seinem zweiten Album „The Mighty Ocean And Nine Dark Theaters“ (2006) dann auch noch Shoegazer-Rock in seine Stücke einfließen ließ, war die Verwirrung komplett.

Glücklicherweise eroberte Astronautalis jedoch ganz andere Hörerschaften, die von seinen wahnwitzigen Gratwanderungen gar nicht genug bekommen konnten. Darüber hinaus machte der Künstler mit seinen extrem unterhaltsamen Live-Performances auf sich aufmerksam, die weit mehr als nur Konzert sind: Bothwell streut Comedy-Elemente und minutenlange Freestyle-Einlagen ein und verleiht seinen Stücken völlig unerwartete Wendungen.

Es gibt in der Tat wenige Künstler, die mit Astronautalis vergleichbar wären. Beck, der sich jedoch seit Anfang den Neunzigern selbst noch zigmal neu erfunden hat, könnte man vielleicht nennen. Ein ganz klein wenig erinnert Astronautalis manchmal an die Folk-Hopper von Why?, aber die kennen auch nur wenige. Grund genug also, sich selbst einen Eindruck zu verschaffen: Astronautalis landet am Samstag um 21 Uhr im Autonomen Zentrum, Vereinsstraße. Mit von der Partie ist die Oldschool Hardcore-Truppe No Turning Back.