Donnerstag, 25. September 2008

Hookerman: Stinkende Märchen

Für Aachener Nachrichten

„Jedes Wort hat seine Farbe, mit einem Song male ich eine Geschichte“. Tejo Verstappen hat wieder ein paar neue Geschichten gemalt, gemeinsam mit seiner Band Hookerman, und zu hören auf dem neuen Album „Monkey Zoo“.

Um die Erklärung des Maastrichter Sängers zu verstehen, muss man wissen, dass der 52-Jährige von Fans und Kennern mit gutem Grund als „holländischer Tom Waits“ bezeichnet wird. Nicht nur stimmlich kommt Verstappen seinem Vorbild recht nahe, auch textlich nimmt er sich lieber „stinkender Märchen“ und „teuflischer Geschichten“ an, als von guten Zeiten zu singen.

Verstappens Band Hookerman, deren Mitglieder aus allen drei Ländern der Euregio kommen und die ihr Zentrum – ihren Proberaum – in Aachen hat, hat nun ihr drittes Album herausgebracht: Nach „Between August and July“ (1998) und „Absolutely Maybe“ (2002) legt „Monkey Zoo“ nun Zeugnis einer Weiterentwicklung ab, die nach wie vor Bar Jazz und „Freak Rock“ als Ausgangspunkte erkennen lässt, die Band jedoch vielseitiger zeigt als je zuvor.

Die elf Stücke des neuen Albums repräsentieren eine Bandbreite, die von der elegischen, geradezu intim anmutenden Bar Jazz-Nummer „Monkey Zoo“ bis hin zum straighten Pop-Rock von „Do you really?“ reicht. Dazwischen finden sich fast schon zappaeske Einwürfe mit aberwitzigen Texten wie „Now it goes around the sausage“ und bewegende Balladen wie „Diggin’ a hole“ und „Good things overtake us“. Auch die für Hookerman typischen „Freak Rock“-Stücke fehlen nicht, gleich der Opener „Spider on Banana“ erfüllt dahingehend alle Erwartungen.

Hookerman haben sich seit ihrem letzten Album auch personell umgestellt: Ihr früherer Saxophonist ist dem neuen Gitarristen Thomas Nordhausen gewichen, der nun zusammen mit dem Organisten Joonas Lorenz für die Soloeinlagen sorgt. Das Ergebnis ist ein „noch kompakterer Sound“, findet Tejo Verstappen und behält Recht. Ein weiterer Neuling in Reihen der Band ist der belgische Kontrabassist Tom van Acker, der das schwere Erbe von Hartmut Heil angetreten hat. Heil hat der Band auf „Monkey Zoo“ noch einige seiner Kompositionen hinterlassen – gut zu erkennen an den annähernd dadaistischen Texten, die über viele Jahre eines der Markenzeichen von Hookerman waren.

Insgesamt sind Hookerman mit ihrem dritten Album etwas rockiger geworden, haben aber auch in andere Richtungen ihre Fühler ausgestreckt: Neben einer kurzen Hendrix-Reminiszenz haben sie nun auch 80er-Synthies und viel Blues zu bieten. Über allem liegt jedoch nach wie vor als roter Faden das tiefe Timbre, die markant-rauchige Stimme von Tejo Verstappen, die meistens tatsächlich an Tom Waits, zuweilen aber auch an Joe Cocker erinnert; die mal wütend, mal gequält klingt, hier Anklage erhebt und da um Vergebung winselt.

Die fünf Musiker haben ihr Album im vergangenen Winter in einem anfangs klirrend kalten Studio aufgenommen, erzählt Verstappen. Und es ist wohl auch eine Platte für die kalte Jahreszeit, für warme Öfen und guten Rotwein – und gemalte Geschichten, die nicht immer gut ausgehen, und gerade deswegen so nah am Leben sind.

Internet: www.hookerman.de

Mittwoch, 17. September 2008

Sido in Köln: "Aua Aua Aua..."

Live Music Hall, 16.9.2008

Wie eine Lichtgestalt steht Sido auf der Bühne, die strahlend weiße Kleidung und der Ring aus Scheinwerfern hinter ihm lassen ihn beinahe engelsgleich erscheinen. Dann rappt er: „Ich bin all das, wovor euch eure Eltern immer gewarnt haben" und gut anderthalb Tausend meist jugendliche Fans jubeln ihm zu.

Verdirbt der Rapper, der sich „superintelligentes Drogenopfer" nennt, unsere Jugend? Diese Frage scheinen sich zumindest die Dutzenden Eltern und großen Brüder in den hinteren Reihen zu stellen, die die vielen Teenager in die Live Music Hall begleitet haben. Skeptisch schauen sie zur Bühne, wo Sido gerade sein Publikum fragt, ob denn auch alle „perverse Schweine" seien.

Fast zwei Stunden lang lässt der „Aggro Berlin"-Rapper und frisch gekürte Juror der neuesten „Popstars"-Staffel kaum eine Gelegenheit aus, zu betonen, dass er ja eigentlich „ein schlechtes Vorbild" sei. Allerdings, räumt er ein: „Wer sagt, was schlecht ist?" - und immerhin habe er ja „Geld, Frauen und Spaß". Solche Argumente ziehen bei seinen Fans scheinbar besser als die Gutmensch-Ambitionen nerviger „Ökotanten".

Groovende Band, trashiger Gesang
Lässt man seine textlichen Entgleisungen einmal außenvor, bietet Sido eine äußerst unterhaltsame und musikalisch solide Vorstellung: Als einer der wenigen Rapper leistet er sich sogar eine echt Band, die in ihren besten Momenten dermaßen funky groovt, dass selbst der graubärtige Papa am Bierstand mitwippt. Sido sollte das Singen wie in seinem trashigen Liebeslied „Carmen" zwar tunlichst unterlassen; sein Rapstil allerdings ist – wie im Hit „Mein Block" - punktgenau und mitreißend. Auch als versierter Entertainer macht Sido eine gute Figur.

Letztlich geht es auch bei Sido nur um das altbekannte Phänomen der adoleszenten Abgrenzung. Sangen vor 20 Jahren die „Ärzte" von „Geschwisterliebe", so singt Sido heute über Analverkehr: "Aua Aua Aua...". Das schien auch einigen in den hinteren Reihen einzuleuchten, wo im Laufe des Konzerts manch skeptischer Blick einem Schmunzeln wich.