Sonntag, 21. Juni 2009

Katy Perry im Palladium zu Köln, 20.06.2009 (für Kölnische Rundschau)

Eine Pastorentochter, die bekennt, ein Mädchen geküsst zu haben, mag in den USA für ein Skandälchen genügen. Hierzulande geht so was auch im Kinderprogramm: Jedenfalls wimmelte es beim Konzert von "Sünderin" Katy Perry im Palladium von 11-jährigen Mädchen und deren Eltern. Die konnten beruhigt feststellen: Es gibt definitiv Schlimmeres.

Allerdings mussten die Erziehungsberechtigten einige Geduld beweisen: Schon am späten Nachmittag formierten sich lange Schlangen am Eingang des Palladiums -- schließlich wollte der Nachwuchs die vordersten Plätze ergattern. Dann galt es auch noch, mit The Asteroids Galaxy Tour und Ladyhawke ein üppiges Vorprogramm hinter sich zu bringen.

Als Katy Perry endlich die Bühne betritt, ist es schon zehn Uhr durch. Zu den Klängen von "California Girls" von den Beach Boys marschiert die 24-Jährige ein, nur mit einem Bikini im Fünfzigerjahre-Stil bekleidet. Die Eltern sind beruhigt: Keine Reizwäsche, kein Lack-und-Leder, in jeder "Bravo"-Ausgabe geht es ungezügelter zu. Entwarnung auch bei der Bühnendekoration: Hinter der Sängerin blinkt ein riesiges rotes Herz auf, das manche an die "Glücksbärchis" denken lässt.

Unter dem Jubel ihrer rund 2.500 Fans aller Altersklassen legt Perry mit "Fingerprints" los, das überraschend punkig daher kommt. Und wer es vorher nur ahnte, erfährt es jetzt: Die Dame kann wirklich gut singen, von der Pink'schen Rockröhre bis hin zu gehauchten Schmachtfetzen beherrscht sie alle Register. Höhepunkte ihres rund 80-minütigen Programms sind natürlich die beiden Disco-Charthits "Hot N Cold" und "I kissed a girl". Letzteres gibt Perry in gefeierter Überlänge als Zugabe.

Zwischen den Stücken allerdings sorgt die Kalifornierin für Ratlosigkeit: Ist das die Frau von Popeye? Mit einem völlig überkandidelten Tonfall quatscht Perry über das Wetter und inszeniert sich als lebendiges Barbie-Püppchen aus den Fünfzigern. Sei's drum. Musikalisch boten Perry und ihre hervorragend eingespielte Band zwar überhaupt nichts Neues, aber das auf solidem Niveau. Vor Kolleginnen wie Pink, Avril Lavigne oder auch Britney Spears braucht sie sich nicht zu verstecken. Es sei denn, sie hat ein Problem mit Plagiatsvorwürfen.

Mittwoch, 17. Juni 2009

Keane als ehrliche Rocker

Keane im E-Werk zu Köln, 16.06.2010 (für Kölnische Rundschau)

Tom Chaplin kann sein Glück kaum fassen. Der schlaksige Sänger von Keane strahlt über beide Backen und genießt den Jubel seiner 1500 Fans im E-Werk. "Ich glaube, es herrscht heute Abend eine ganz besondere Energie in diesem Saal", konstatiert er schließlich. Diese Energie hatten sich Chaplin und seine Bandkollegen allerdings auch hart erarbeitet.

Was der Rahmen doch ausmachen kann: Bei ihrem Gastspiel im Palladium im letzten Herbst hatten sich Keane noch überdimensional inszenieren können, ließen hinter sich farbenfrohe Videos abspielen und sorgten mit völlig überhalltem Sound für ordentlich Pathos.

Nichts davon am Dienstag im kleineren E-Werk gegenüber: Die vergleichsweise schlichte Bühnenausstattung -- keine Videos, nur das Cover ihres aktuellen Albums "Perfect Symmetry" im Hintergrund -- und der glasklare, authentische Sound zwangen die vier Briten, mit dem Wesentlichen zu überzeugen: Ihrer Musik.

Keine leichte Aufgabe für eine Band, die 2004 mit schwelgerischem Piano-Rock startete, seitdem zunehmend in Richtung "New Romantic" driftet und das Ganze gerne stilecht mit Stadionhall und großen Gesten ausstaffiert. Das Pathos mussten sich Chaplin und Kollegen diesmal -- ganz im Stile ehrlicher Rocker -- hart erarbeiten.

Dabei setzten Keane zu Anfang auf eine Art Wunschkonzert: Die Hits "Everybody's changing", "Bend and break" und "This is the last time" gehören zu den ersten Titeln des Abends und reißen das Publikum bereits nach 20 Minuten zu wahren Jubelstürmen hin. Chaplin schwärmt vom imposanten Dom und den Kölnern sowieso und sichert sich damit Bonus-Sympathien. Er turnt noch sportlicher als sonst über die Bühne, während Gast-Keyboarder Jesse Quinn in die Tasten drischt, als spiele er in einer Hardrock-Band.

Solch leidenschaftlicher Einsatz kann allerdings kaum verdecken, dass die neueren Stücke der Band -- etwa "You haven't told me anything" - im schlichten Clubkonzert-Kontext nicht recht zünden wollen. Die Synthie-Orgien mit den wenig prägnanten Refrains ernten meist nur wohlwollenden Applaus. Stattdessen funktioniert auf einmal die für Keane völlig untypische und ergreifend schlichte Gitarrenballade "Playing along", die Chaplin solo darbringt.

Kein Wunder also, dass es größtenteils Titel ihres ersten Albums "Hopes and Fears" (2004) sind, die für echte Begeisterung sorgen: Die Piano-Nummern "My Shadow" und "Bedshaped" als Zugaben runden den Abend nach rund 90 Minuten ab. Und während die Fans nach Kräften jubeln, schlawinert Tom Chaplin geradezu verlegen um seinen Mikroständer herum. Da müssten sie wohl "sehr bald wiederkommen", sagt er. Man darf gespannt sein, welche Version von Keane dann auf dem Programm steht.

Sonntag, 10. Mai 2009

Simpy Red in Köln: "Guten Abend Hamburg"

Simply Red in der Lanxess Arena zu Köln, 09.05.2009 (für Kölnische Rundschau)

Wahre Simply Red-Fans sind hart im Nehmen. Mit "Guten Abend Hamburg" begrüßte Rotschopf Mick Hucknall die 15.000 in der Kölner Lanxess Arena - um sich kurz darauf und peinlich berührt für den Fauxpas zu entschuldigen. Dabei hatten Simply Red ohnehin genug hochkarätige Evergreens zu bieten, um letztlich im Guten mit ihren Fans auseinander zu gehen.

Simply Red beginnen den Abend mit der eher unspektakulären Soulpop-Nummer "It's only love", als Mick Hucknall die Bühne betritt. Dem ersten Jubel folgt rasch eine bittere Erkenntnis: Ganz schön alt sieht er aus, der Mann, dessen Markenzeichen noch immer die wallende, rote Lockenpracht ist. Auf der Videoleinwand werden versteinerte Gesichtszüge sichtbar. In seinem maßgeschneiderten blauen Anzug schleicht Hucknall über die Bühne wie Frank Sinatra mit 80. Dabei ist der Mann erst 48.

Ein paar Stücke später wähnt sich der Sänger in Hamburg. Es dauert einige Minuten, bis er seinen Irrtum bemerkt. Er sei am Nachmittag in der Innenstadt gewesen, von allen Seiten angerempelt worden und habe darüber wohl vergessen, wo er sei, entschuldigt er sich für die Peinlichkeit.

Dass die 15.000 Hucknall und seiner Band recht schnell verzeihen, liegt hauptsächlich daran, dass Simply Red auf ihrer Abschiedstour - die Band löst sich nach 25 Jahren endgültig auf - jede Menge "Greatest Hits" im Gepäck haben. Zum letzten Mal gibt es die ganzen Soul- und Pop-Evergreens der Engländer live - von "A New Flame" über "Thrill me" bis hin zum 1995er Dance-Hit "Fairground". Mit jedem dieser Stücke steigt die Stimmung im Innenraum und auf den vollbesetzten Rängen: Immer mehr erheben sich, beginnen zu tanzen, lassen sich vom dezenten Groove der Band anstecken. Noch einmal wird auch deutlich, dass Simply Red der Welt unsterbliche Soft Soul-Nummern hinterlassen: Bei "For Your Babies" und "Your Mirror" sind viele Fans sichtlich berührt.

Auch Mick Hucknall wird im Laufe des Abends wach: Das Jackett fliegt in die Ecke, hemdsärmelig beginnt er zu seinen eigenen Hits zu tanzen und lächelt milde. Das tut gut, denn ansonsten herrscht auf der Bühne kaum Leben. Alles klingt wie auf CD, bis auf die beiden Background-Sängerinnen wirken die Musiker seltsam unbeteiligt. Nach knapp zwei Stunden und zwei Zugabenblöcken verabschieden sie sich mit Hits wie "Something Got Me Started" und der bewegenden Ballade "Stars", bei der die Bühne in ein Sternenmeer getaucht wird.

So eindeutig Simply Red als Protagonisten der achtziger und neunziger Jahre in Erinnerung bleiben werden, so deutlich wurde am Samstagabend aber auch, dass ihre Zeit vorbei ist. Musikalisch sind Hucknall und Kollegen nie wirklich im neuen Jahrtausend angekommen. Es spricht für sie, dass sie das rechtzeitig erkannt haben und sich würdevoll von ihren Fans verabschieden.

Dienstag, 5. Mai 2009

Lily Allen hat abgenommen

Lily Allen im E-Werk zu Köln, 04.05.2009 (für Kölnische Rundschau)

"Sie hat abgenommen!" - ein junges Mädchen lässt ihrer Begeisterung freien Lauf, als der Vorhang fällt und Lily Allen im hautengen, blauen Kleidchen auf der Bühne erscheint. Glücklicherweise hatte die 24-jährige Engländerin im E-Werk etwas mehr zu bieten als nur das.

Sie habe Angst, dass sich ihr Ruhm weniger auf ihrer Musik als auf ihren von der Boulevardpresse dankbar kolportierten Skandälchen gründe, wurde Allen unlängst zitiert. Nach ihrem Gastspiel in Köln am Montagabend kann sie beruhigt sein: Zwar sorgte ihr Äußeres anscheinend für einigen Gesprächsstoff im Publikum; mit ihrer musikalischen Leistung konnten Allen und ihre gut aufgelegte Band jedoch durchaus nachlegen.

Zuckerbrot und Peitsche: So könnte man ein Konzert von Lily Allen wohl treffend umreißen: Charmant und mit mädchenhaft kecker Stimme trägt sie ihre honigsüßen Melodien vor, doch in ihren Texten rechnet sie gnadenlos und zuweilen gehässig mit allen ab, die ihr nicht in den Kram passen. So direkt, dass man froh sein sollte, nicht zu ihren Feinden zu gehören: Man könnte in ihrem nächsten Stück mit einem süffigen "Fuck you!" bedacht werden. Die gleichnamige Nummer war - aus 1500 Kehlen inbrünstig mitgesungen - wohl eine der Hymnen des Abends.

Nach den ersten Stücken hält die nunmehr zierliche Brünette ihr erstes Glas Champagner in der Hand, es soll nicht das letzte sein. Lily Allen hebt spontan das Rauchverbot im E-Werk auf und pafft eine nach der anderen. Lustvoll kichert sie sich durch den Abend und hat offenbar Spaß. Den gibt sie unmittelbar an ihr überwiegend junges, weibliches Publikum weiter, das vom ersten Stück an tanzt.

Musikalisch präsentiert sich Lily Allen auf ihrem neuen Album "It's not me, it's you" nicht viel, aber doch ein wenig reifer: Nach dem charmanten, aber doch recht einförmigen Pop ihres Debütalbums wagt sie mehr Abwechslung. "He wasn't there", ihr halbwegs ernsthaftes Stück über ihren Vater, gibt sie - nur von Klavier und Gitarre begleitet - in Honky Tonk-Manier zum Besten. Das chansonesque "Never gonna happen" mag gar als Brecht/Weill-Reminiszenz durchgehen.

Höhepunkt des Konzerts war jedoch die als Zugabe dargebotene Version ihres 2006er-Sommerhits "Smile": Den Reggae-Ohrwurm gaben Allen und Band zunächst originalgetreu, dann als elektrisierende Drum'n Bass-Version und schließlich in scheppernder Dub Reggae-Manier zum Besten. Hinterher schob sie die neue Single "The Fear", in der sie beißend ironisch mit der englischen Boulevardpresse ins Gericht geht. "Alles ist cool, solange ich abnehme", singt sie darin. Zum Glück ist das nicht wirklich nötig.

Mittwoch, 15. April 2009

The Notwist: Was macht Console?

The Notwist im E-Werk zu Köln, 14.04.2009 (für Kölnische Rundschau)

The Notwist stehen im gleißend blauen Licht auf der Bühne des E-Werks, doch man könnte sie glatt übersehen, so unscheinbar wirken die fünf Oberbayern. Wäre da nicht dieser große schlaksige Typ am linken Bühnenrand: Auf schlackernden Knien wippt er rhythmisch vor sich hin, schüttelt seine wallende Lockenpracht und fuchtelt mit zwei Steuergeräten für eine Nintendo Wii herum. Was tut er da?

Eine Antwort auf diese Frage blieb Martin Gretschmann alias "Console" am Dienstagabend schuldig. Seine Band jedoch stellte klar, dass sie in einer Liga mit den Kollegen von Radiohead agiert. Ihren 2000 Fans im ausverkauften E-Werk bescherten die einstmaligen Provinzler eine Odyssee, die von Indie-Rock über Lärmorgien, Jazz, Electronica, House, Funk und Dub Reggae reichte. Nur einen roten Faden gab es: Den schüchtern säuselnden Gesang und die butterweichen Melodien Markus Achers, bei allem Beiwerk seit jeher das Erkennungsmerkmal der Band.

Keine großen Gesten, kein Pathos, wenig Worte. Stattdessen Hits wie "Good Lies" und "Pilot", zarte Popmelodien neben eklektischer Avantgarde. Und ein eindeutiges Fazit: Das war einer der größten Konzertabende des Jahres.

Dienstag, 7. April 2009

The Virgins: Donald Cumming will Spaß

The Virgins im Gebäude 9, 07.04.2009 (für Kölnische Rundschau)

Man könnte glauben, auf einer Motto-Party gelandet zu sein. Knallenge Jeans, Jennifer Grey-Gedächtnis-Dauerwellen, riesige Brillen, gepunktete Minnie Mouse-Kleidchen und hartnäckig gegeelte Schnittlauchlocken werden im Gebäude 9 zur Schau getragen. Doch dies ist keine dieser typischen 80er-Partys und die meisten der Anwesenden haben das Jahrzehnt auch bestenfalls in der Wiege erlebt. Dies ist das Konzert der zurzeit angesagtesten Newcomer aus New York: „The Virgins“ haben die Zeit um 1980 zwar auch nicht selbst miterlebt, wissen aber sehr gut, welche Musik gespielt wurde.


Donald Cumming stakst ungelenk und wie elektrisiert auf der Bühne herum, bewegt sich wie ein Roboter, joggt auf der Stelle und legt dann kess die Hände in die Hüften. Er trägt einen dunklen Overall mit Hemdkragen, unter dem ein weißes T-Shirt hervorlugt. Die Ärmel hat er hochgekrempelt, an seinem Handgelenk baumelt ein Goldkettchen. Er singt über „Teen Lover“ und teure Mädchen und seine exzentrische, nasale Stimme klingt wie eine Mischung aus David Byrne und Joey Ramone.

Dass „The Virgins“ nach „The Strokes“ das nächste große Ding aus New York sein sollen, hat sich in Köln noch nicht so ganz herumgesprochen. Gerade mal 250 Fans sind nach Deutz gekommen, um Cumming und Kollegen live zu sehen. Wer nicht selbst im stilechten Endsiebziger respektive Frühachtziger-Look aufläuft, sympathisiert zumindest mit dem Sound dieser Ära, mit Disco, New Wave, Funk und Post-Punk. Genau das haben „The Virgins“ zu bieten: Auf ihrem selbstbetitelten Debütalbum vereinigen sie beinahe alle um 1980 populären Stilrichtungen, klingen dabei mal nach den Talking Heads, mal nach AC/DC, mal nach KC & The Sunshine Band.

Was auf Platte zuweilen ein wenig gekünstelt klingt, entfaltet im Gebäude 9 seine volle, partytaugliche Wirkung: Ihren Insider-Hits wie „Rich Girls“ und „Private Affair“ verpasst die Band live dermaßen viel Groove und Energie, dass die Luft brennt. Die drahtigen Funk-Riffs kommen messerscharf. Bass und Schlagzeug – auf dem Album mit Weichspüler-Sound – lassen funky und erdig das Mauerwerk des Gebäudes erbeben. Dazu Cumming als engagierter Vorturner, „catchy“ Refrains und zum Schluss eine dermaßen druckvolle Coverversion von INXS’s „Devil Inside“, dass die Australier vor Neid erblassen würden. Nach 45 Minuten ist leider schon alles vorbei, „The Virgins“ haben nun mal erst ein Album.

Was das Tourmanagement geritten hat, ausgerechnet das witzlose Saarbrückener Duo Pretty Lightning im Vorprogramm spielen zu lassen, wird wohl ihr Geheimnis bleiben. Deren ausdrucksloser „White Stripes“-Abklatsch jedenfalls war auf dieser 80er-Party völlig deplatziert.

Freitag, 3. April 2009

Niels Frevert: Du sollst nicht in der Kirche klatschen

"Ihr seid so toll", sagt Niels Frevert ein wenig schüchtern in sein Mikro. Die Reaktion des Publikums in der Nippeser Kulturkirche: Gespenstische Stille. Kein Jubel, kein Klatschen, nichts. Bis sich einer erbarmt: "Du auch!" ruft er in Richtung Bühne -- und spricht aus, was die übrigen 450 im randvollen Kirchenschiff wohl wenigstens gedacht haben müssen.

Vielleicht lag es an den Gebetsbänken, auf denen die meisten seiner Fans Platz nehmen mussten, und die zu zeitweise andächtigem Schweigen verleiteten. Aber nach seinem Gastspiel in der Kulturkiche ist auch klar: Als "Superstar"-Aspirant würde Niels Frevert gnadenlos durchfallen. Zu bescheiden und ja, einfach normal trat der Sänger auf, um große Jubelstürme zu provozieren.

Zum Glück, will man ergänzen. Denn, auch das zeigte sich am Freitagabend: Freverts poetische Kleinode benötigen kein Show-Getöse und kein Animationsprogramm, um ihre Wirkung zu entfalten. Dass der Hamburger Sänger sie mit kompletter Band und Streichquartett auf die Bühne brachte, reichte völlig aus, um sein Publikum in der randvollen Kulturkirche wenigstens innerlich zu begeistern.

In Freverts Songlyrik schwingt Melancholie mit, die nie in Kitsch abgleitet. "Du kannst mich an der Ecke rauslassen", heißt sein jüngstes, drittes Soloalbum. Und so wie der Titelsong das Thema Trennung behandelt, verwendet Frevert auch in vielen anderen Stücken unorthodoxe Metaphern. Er singt von "Kakerlaken in deinen Cornflakes", von beschlagenen Brillengläsern und umspielt ganz unspektakulär jede sich aufdrängende Betroffenheit. Selbst die grandios (von Easy Listening-Legende Werner Becker) arrangierten Streicher kann er sich erlauben, ohne in Klischees zu verfallen.

Den alten "Nationalgalerie"-Superhit "Evelyn" verkniff sich Frevert in Köln. Stattdessen gab er eine leise Interpretation aus den "schlimmen Neunzigern" von Udo Lindenbergs "Ein Herz kann man nicht reparieren". So unspektakulär und bescheiden Frevert sich auf der Bühne gab, so groß und für sich standen seine Stücke. Und für die -- nicht für seine Show -- gab es letztlich dann auch die verdienten Jubelstürme.

Montag, 30. März 2009

Pink: Star in der Manege

Pink in der Lanxess-Arena zu Köln, 30.03.2009 (für Kölnische Rundschau)

Die Leute müssen sich furchtbar gelangweilt haben, damals, als bei Konzerten einfach nur Musik gespielt wurde. Auf diese Idee kann man durchaus kommen, wenn man die Popsängerin Pink da oben am Trapez hängen und kopfüber singen sieht. Dann setzt sie auch noch zum Bungee-Sprung in den Innenraum der Lanxess-Arena an. 16.000 Fans erstarren zu Salzsäulen.


Was für ein Spektakel: Mit einem Konzert im eigentlichen Sinne hatte das, was die 29-jährige Amerikanerin am Montagabend auf – oder besser: über – der Bühne der Lanxess-Arena tat, wenig zu tun. Im „Fun House“, so der Titel ihres gefeierten neuen Albums, ist alles erlaubt, was unterhält. Und so war der Name war auch in Köln Programm: Die Bühne war ein riesiger Zirkus voller Tänzer und Artisten, Gauklern und Statisten.

Es spricht wohl Bände, wenn Pinks „Konzert“ vielen der 16.000 in der ausverkauften Arena hauptsächlich wegen der atemberaubenden artistischen Einlagen am Trapez in Erinnerung bleiben wird. Das ist fast schon schade, denn was Pink alias Alecia Beth Moore und ihre Band musikalisch boten, wäre auch ohne all die Show-Effekte, die bis ins letzte Detail präzise Choreographie und die etlichen Garderoben der Sängerin den Eintrittspreis wert gewesen.

Pink ist nun mal keine von diesen „gemachten“, austauschbaren Popstars. Spätestens seit ihrem Hit-Album „M!ssundaztood“ aus dem Jahr 2002 ist klar: Die zierliche Blondine hat nicht nur ein herausragendes Soul-Timbre, sie hat auch etwas zu sagen. Ob sie wie in „Family Portrait“ auf bewegende Weise ihre zerrüttete Kindheit aufarbeitet oder sich in ihrem neuen Album intensiv mit der Scheidung von Ehemann Carey Hart auseinandersetzt: Diese Frau ist authentisch, sie ist ein Charakter, in ihrer Stimme klingt ein bewegtes Leben mit.

Und so waren es auch eher die ruhigen, intim anmutenden Momente im Show-Programm, die als musikalische Höhepunkte des Abends in Erinnerung blieben: Besagtes „Family Portrait“ etwa, die rührende Ballade „Crystal Ball“ und ganz zum Schluss die Piano-Nummer „Glitter in the Air“. Selbst wenn Pink auch bei diesen schlichten Stücken für die riesigen Videoleinwände neben der Bühne schauspielerte, entstand doch kurzzeitig so etwas wie Gänsehautstimmung.

Der Rest war Spektakel: Die rockigen Hits wie „Just like a pill“ und „So what“ wurden gebührend bejubelt, die atemberaubenden Show-Einlagen bestaunt. Dazu noch perfekte Interpretationen von Queens „Bohemian Rhapsody“ und Led Zeppelins „Babe I’m gonna leave you“, bei denen auch die reiferen Semester im Publikum auf ihre Kosten kamen.

Trotz oder vielleicht auch wegen der überbordenden Show mit all den Höhenflügen der Sängerin wollte im „Fun House“ Lanxess-Arena keine echte Party-Stimmung aufkommen. Selbst im Innenraum gab es kaum Bewegung und nur sporadische Tanzversuche. Stattdessen wurde geknipst, was die Akkus der Digitalkameras hergaben. Vielleicht gab es einfach viel zu viel zu sehen, um sich auf das Hören zu konzentrieren.

Dienstag, 17. Februar 2009

Bloc Party im Palladium oder: Arbeiten an Karneval

Im mit 4000 Leuten proppevollen Mülheimer Palladium wird getanzt und getobt. Plötzlich schaffen sie eine freie Fläche, direkt vor der Bühne, mit gut zehn Metern Durchmesser. Einige Sekunden lang halten alle den Atem an, dann stürmen Hunderte auf einmal auf die freigewordene Tanzfläche, springen sich gegenseitig in die Körper, verpassen sich blaue Flecken und haben dabei eine Mordsgaudi: So sieht wohl eine "Bloc Party" aus.

Kölsche Feierlaune trifft britisches Understatement. Während vor der Bühne der Teufel losist, lassen sich die vier Londoner von Bloc Party nicht aus der Ruhe bringen. Aus 4000 Kehlen wird gebrüllt und mitgesungen, während Sänger Kele Okereke die Höflichkeit in Person markiert: Mit geradezu klischeehaft britischem Tonfall sagt er brav "Guten Abend" und "Danke schön" und zum Schluss "Auf Wiedersehen".

In den gut anderthalb Stunden dazwischen leisten die Indie-Rocker ganze Arbeit: Es gibt wohl kaum eine zeitgenössische Rockband, die dermaßen präzise und konzentriert zu Werke geht und ihr Publikum dabei so restlos zu begeistern vermag. "Dance Punk" nennen das manche, aber das Etikett trifft nur ansatzweise, was die Briten da fabrizieren. Mit Punk im ursprünglichen Sinne hat das jedenfalls nichts zu tun.

An der für Bloc Party charakteristischen Grundlage aus treibenden, mitunter zwingenden Schlagzeug-Grooves und funky Bassläufen hätte wohl sogar James Brown seine Freude gehabt. Und ihren Gitarren entlocken Sänger Okereke und Russel Lissack alles, was heutzutage möglich ist: Von stilechten Punkriffs über New Wave-artige Flächen bis hin zu Pink Floyd'scher Psychedelik ist alles drin. Dass Okereke kein begnadeter Sänger ist und in den Höhen manchmal wie ein zeternder Bengel klingt, fällt bei der instrumentalen Kraft der Band nicht weiter ins Gewicht.

Von den frühen Indie Rock-Krachern "Banquet" und "Helicopter", mit denen Bloc Party 2005 den Durchbruch schafften bis hin zu den neuen Singles "Mercury" und "One month off" war im Palladium die Entwicklung der Band zu verfolgen: Mehr Achtziger wagen, mehr Joy Division und New Romantic, das scheint die jüngere Marschrichtung der Band zu sein. Und auch das kommt an bei den überwiegend jungen Fans.

Einziger Kritikpunkt an diesem Abend: Etwas mehr Leidenschaft und Spontaneität hätte den Musikern gut zu Gesicht gestanden. Angesichts ihres überwältigten Publikums wirkten Bloc Party doch recht abgebrüht. Den Fans schien es egal zu sein -- der Rausschmeißer "Time of my Life" aus "Dirty Dancing" sprach wohl nicht wenigen aus der Seele.

Freitag, 30. Januar 2009

The Rasmus: "Good clean fun" im Pornokino

Es gibt innovative Rockbands, es gibt subversive Rockbands und es gibt Bands wie The Rasmus, die die harmlosesten Rockklischees der letzten 30 Jahre in kleinen, aber hartnäckigen Ohrwürmern wiederverwerten. Das kann unterhaltsam sein, muss es aber nicht – wie sich beim Gastspiel der Finnen im ausverkauften Gloria-Theater zeigte.

Wer im stickigen, da mit 900 Leuten randvollen Gloria keinen Schweißgeruch riskieren will, ist vorbereitet: Während sich der stämmige Gitarrist Pauli Antero Rantasalmi von einem Ventilator die wallende Lockenpracht dauerkühlen lässt, wehen im Publikum die verschiedensten Düfte durcheinander. Einige gehen ganz auf Nummer sicher und bleiben lieber gleich am Saaleingang stehen - auch wenn dort der Zigarettenrauch aus dem Foyer bedrohlich nahe ist.

„Good clean fun" im ehemaligen Pornokino: Die Finnen um Sänger Lauri Ylönen – dessen wasserstoffblonde Frisur ebenfalls in Form bleibt – muten ihren treuen Fans an diesem Freitagabend nichts zu. Stattdessen kriegen sie das, wofür sie bezahlt haben: Einen eingängigen Dreiminüter nach dem anderen, ruhige Strophen und lautere, einprägsame Refrains, die denn auch alle fleißig mitgesungen werden. Natürlich gibt es all die Hits: Als Opener die neue, rockige Hitsingle „Livin' in a world without you", später das noch rockigere „First Day of My Life" und die obligatorische Ballade „Live Forever" und schließlich den Über-Hit „In the Shadows".

„Death Pop" nennt die bereits 1994 gegründete Band das, was sie insbesondere seit ihrem Hit-Album „Dead Letters" aus 2003 international erfolgreich verkauft. Ein etwas rätselhaftes Etikett für die unbedarfte Zitatensammlung, die es da zu hören gibt: Im Kern eine Mischung aus inflationär gebrauchten Schwedenmelodien a la Roxette, Achtziger-Soft-Rock, der an die Scorpions gemahnt und – versteht sich – modernem Alternative Rock-Sound mit dezenten Crossover-Anleihen. Dass Produzent Desmond Child beim neuen Album „Black Roses" mitmischte, ist durchaus schlüssig: Der Mann produzierte seinerzeit den Schmalzrock von Kiss („I was made for loving you") und jüngst Ricky Martin.

So ging denn im Gloria ein Konzert über die Bühne, bei dem es nichts neues, aber viel altes zu entdecken gab: The Rasmus spielten ihr 90-minütiges Programm in Album-Qualität herunter, übten sich dabei in Stehtanz und freuten sich - ganz bescheiden – über ihre jubelnden Fans, denen all das vollkommen reichte.

Samstag, 10. Januar 2009