Mittwoch, 15. Oktober 2008

Camille ist zu betrunken für Sex

Camille ist zu betrunken für Sex. 800 Kölnerinnen und Kölner im Gloria-Theater scheint es ähnlich zu gehen, wie ein Mantra wiederholen sie die Zeilen „Too drunk to fuck". Plötzlich verschwindet Camille von der Bühne, taucht Sekunden später im Publikum auf und spritzt ihre Fans mit Whisky nass. „Vielleicht doch nicht...", sagt sie verschmitzt.

Es waren Szenen wie diese, mit denen sich die französische Sängerin in Köln verewigt hat. Wer ein seichtes Pop-Konzert mit zuckersüßem Akzent erwartet hatte, bekam jedenfalls im wahrsten Sinne den Kopf gewaschen – mit Whisky.

Dabei ist es eigentlich das musikalische Phänomen Camille, das wohl für die meisten ihrer Fans ihre Anziehungskraft ausmacht: Denn in ihrer Musik gibt es kaum (echte) Instrumente – fast alle Beats, Basslinien, Streicher, Keyboards, ja sogar Samples produziert ihr siebenköpfiges Ensemble mit den eigenen Körpern.

„Body Percussion" nennen sie diese körperliche Klangerzeugung: Zwei Sängerinnen und zwei Tänzer sind ständig in Bewegung, stampfen rhythmisch auf den Bühnenboden, klopfen sich auf Brust, Beine und dauernd in die Hände. Dazu sorgen zwei sehr beeindruckende Beatbox-Spezialisten fachmännisch für täuschend echte Dancefloor-Beats. Nur ab und zu mischt eine Pianistin „klassische" Klänge bei.

Und Camille singt nicht nur – sie ist Soul-Lady, Punk-Göre, Disco-Diva und nur scheinbar die Pop-Sängerin mit dem süßen Akzent – die jeden Moment explodieren kann, wild kreischend zum Derwisch wird. Sie tanzt fast ununterbrochen, läuft minutenlang im Kreis, bis ihr schwindlig wird, lässt ihre Fans bei „Cats & Dogs" bellen und miauen

Betrachtet man ihre Musik isoliert – was bei all den Show-Effekten kaum möglich ist – so bietet sie hochwertigen, sehr differenzierten Disco-Pop mit treibenden, oft auch vertrackten Grooves („Gospel With No Lord"), theatralisch anmutende Musical-Kompositionen (den Song „Le Festin" steuerte sie zum „Ratatouille"-Soundtrack bei) und bewegende, unorthodox arrangierte Balladen wie „La jeune fille aux cheveux blancs". Aber auch Punk-Coverstücke wie eben „Too drunk to fuck" bekommen in dieser Konstellation ganz neuen Reiz.

Mit ihrer energiegeladenen Show rief Camille im randvollen Gloria-Theater wahre Begeisterungsstürme hervor. Im Vorprogramm hatte bereits die junge Schweizer Pianistin Sophie Hunger mit ihren filigranen, intelligenten Balladen bleibenden Eindruck hinterlassen.

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