Montag, 6. Oktober 2008

Evan Dando sieht alt aus

Er möge ihn bitte nicht aus der ersten Reihe fotografieren, wird der Fotograf angehalten. Evan Dando, der Sänger der Lemonheads, hält wenig von Nahaufnahmen – vielleicht weil sie die Spuren zeigen würden, die jahrelange Alkohol- und Drogeneskapaden im Gesicht des 41-Jährigen hinterlassen haben. Lieber lässt Dando seine zeitlos frischen Indie-Pop-Hits als Erinnerung zurück.

Sie ist älter geworden, die Klasse von 1992, doch ihr Soundtrack scheint ewig jung zu bleiben: „It’s a shame about Ray“ hieß die Indie-Platte des Jahres, und mit ihr wurden The Lemonheads aus Boston zu den Helden beinahe jeden Oberstufenparty-DJ’s. Ihre ungestüme Coverversion von Simon & Garfunkels „Mrs. Robinson“ schaffte es sogar in so manches Bierzelt.

Evan Dando hingegen scheint sich – aus der Distanz – kaum verändert zu haben: Noch immer hängt ihm die Matte auf die Schultern, wirkt er wie der ewige Grunge-Jünger. Noch immer spielt er mit seinen - zwischenzeitlich aufgelösten, mehrfach umformierten und vor zwei Jahren ins Leben zurück geholten – Lemonheads die Stücke von „It’s a shame about Ray“, und es klingt sogar beinahe wie damals.

So auch im Gebäude 9, wo die gut 300 Fans am Freitagabend sich zu einer Art Klassentreffen mit Live-Band zusammengefunden haben: Sie bekommen all die Hits, „Rudderless“, „Drug Buddy“ und „Alison’s starting to happen“ etwa. Nachdem „It’s a shame about Ray“ fast komplett und in der Original-Reihenfolge abgehandelt ist, spielt Dando einige Stücke solo. Schließlich gibt die Band, zu der außer Dando diesmal der Bassist Vess Ruhtenberg und Drummer Devon Ashley gehören, eine Art Insider-Best-of aus der Zeit nach 1992 zum Besten: Stücke wie „Down about it“ oder „Tenderfoot“ werden begeistert aufgenommen. Das Publikum wirkt fasziniert, zwischen den Stücken wird anerkennend applaudiert und zuweilen andächtig geschwiegen.

Lustlos heruntergerasselte Stücke
Der Mann im Mittelpunkt jedoch wirkt müde. Zwischen den lustlos heruntergerasselten Stücken kaum ein Wort zum Publikum, sichtbare Mühe bei den Gitarrensoli und seine in den Höhen ersterbende Stimme sprechen für sich. Die Drogenhistorie, die er auch in Stücken wie „Hospital“ und „Style“ ehrlich thematisiert, hat Spuren hinterlassen in Dandos Gesicht und Gestik. Der Sänger wirkt zeitweise wie ein alter Mann.


Ihr selbstbetiteltes jüngstes Album (2006) fiel fast gänzlich unter den Tisch – stattdessen große Nostalgie und keine Nahaufnahmen: Evan Dando scheint die Spuren seiner jüngeren Vergangenheit verwischen zu wollen. Wirklich gelungen ist es ihm nicht.



Kleine Fußnote: In der englischen Wikipedia steht dies geschrieben: "On 23rd April 2008 at the inaugural NME US Awards ceremony at the El Rey in Los Angeles, Dando received the classic album award for It's A Shame About Ray, and also performed My Drug Buddy and the album's title track acoustically. According to reports, soon after receiving the award, Dando deposited it into a garbage can, telling a minder "I don't want this".

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