Donnerstag, 4. März 2010

Botanica: Liebe, Wahnsinn und andere Ausnahmezustände

Kolumne "Aachen Szene", erschienen in Aachener Nachrichten, 04.03.2010

Beim Namen Botanica drängt sich manchen erstmal der Gedanke an Grünzeug auf. Ob das bei der Namensfindung der gleichnamigen Band aus Los Angeles eine Rolle gespielt hat, ist nicht bekannt. Sicher ist aber, dass die Truppe um Sänger und Keyboarder Paul Wallfisch musikalisch zum spannendsten gehört, was auf Aachens Bühnen in nächster Zeit zu hören ist.

Die 1999 in Los Angeles gegründete Combo bringt Einflüsse unter einen Hut, die beim ersten Hören bunt zusammengewürfelt erscheinen: Geradlinige Rocksongs wechseln sich mit verschrobenen Blues-Oden im Stile von Tom Waits ab. Auf melancholische Balladen folgen Stücke im Mississippi Delta-Stil. Dann wieder ist pure Psychedelik angesagt – und das ist längst nicht alles.

Als „grobkörnigen, verqualmten, Brecht-artigen Bohemian Rock“ hat das Intro-Magazin die Stücke des Albums „Berlin Hi-Fi“ (2006) bezeichnet. Ein nicht ganz unpassendes Etikett, betont es doch das, was Botanica am ehesten ausmacht: Die Band schafft mit ihren zuweilen altmodisch anmutenden Stilelementen und der ausdrucksstarken Stimme Paul Wallfischs eine einzigartige, geradezu bedeutungsschwangere Atmosphäre, die trotz einer gewissen Theatralik nie ins Schwermütige abgleitet.

Vergleiche mit Tom Waits oder auch Nick Cave mögen bei einigen Stücken angebracht sein. Auch textlich – bei Botanica dreht sich alles um „Liebe, Wahnsinn und andere Ausnahmezustände“ – schlagen Botanica in eine ähnliche Kerbe. Doch während die berühmten Kollegen stilistisch relativ festgelegt sind, sucht und findet Bandleader Wallfisch sein Heil in der Vielfalt. Der Sohn rumänischer Juden, die vor den Nazis in die USA flüchteten, kennt keine Grenzen - schließlich habe die Realität ja auch keine, wie er einmal in einem Radio-Interview kundtat. Und so mischen Botanica die unterschiedlichsten, nur scheinbar widersprüchlichen Spielarten, um ihren völlig eigenen Stil zu kreieren.

Im Februar veröffentlichten Botanica ihr sechstes Album „Who you are“. Produziert wurde es übrigens in New York und Aachen, der Heimat ihres langjährigen Labels „rent a dog“ und ihres Co-Produzenten Ulli Rattay. Das Werk klingt wie aus einem Guss, bringt ihre ganze Ambivalenz auf den Punkt. „Love“ hatte der Arbeitstitel gelautet – und er hätte wohl auch gepasst: Bei allen stilistischen Gegensätzen wohnt dem Album eine unvergleichlich tiefe, warme Stimmung inne.

Für ihre aktuelle Tour konnten Botanica Brian Viglione von den Dresden Dolls als Schlagzeuger gewinnen. An der Gitarre ist John Andrews (Nena, Peter Murphy) mit von der Partie. Die namhaften Verstärkungen ergänzen die Band, die ansonsten aktuell aus Wallfisch und Bassist Jason Binnick besteht, auf dem jüngsten Album jedoch auch mit Größen wie Anne de Wolff (Streicher) und Martin Wenk (Trompete) zusammen arbeitete.

Live werden Botanica „furiose Shows“ bescheinigt. Bleibt zu hoffen, dass dies auch auf ihr Gastspiel im Musikbunker, Rehmannstraße, am kommenden Mittwoch, 10. März, ab 20 Uhr zutrifft. Wer Lust auf unorthodoxe, stimmungsvolle Musik und ein ganz sicher nicht alltägliches Konzert hat, dürfte jedenfalls auf seine Kosten kommen.

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