Donnerstag, 22. April 2010

Konzerttipps: Benedikt Jahnel und Johanna Zeul

Kolumne "Aachen Szene" für Aachener Nachrichten, erschienen am 22.04.2010

Ob sich Johanna Zeul und Benedikt Jahnel verstehen würden, wenn sie sich träfen? Wohl kaum: Während es über die exzentrische Liedermacherin heißt, sie schlafe „mit den Fingern in der Steckdose“, ist über den hochbegabten Jazz-Pianisten bekannt, dass er sich akademisch mit Wahrscheinlichkeitsrechnung beschäftigt. So viel steht in jedem Fall fest: Die Konzerte der beiden gegensätzlichen Künstler in Aachen werden mit Spannung erwartet.

„Keine Frage, Johanna Zeul hat einen Knall“, schrieb die Süddeutsche Zeitung einmal über die 1981 geborene Wahl-Berlinerin. Wer die junge Frau einmal auf der Bühne erlebt hat, wird das vermutlich bestätigen: So exzentrisch, laut, ehrlich – und ja: irgendwie verrückt - war seit der Neuen Deutschen Welle kaum eine Sängerin in unseren Breiten. Wie ein Derwisch springt Johanna Zeul mit ihrer Gitarre auf der Bühne herum, jauchzt und schreit, zieht Grimassen – und hat offenbar enorm großen Spaß dabei.

Peinlich und kindisch mögen das manche finden. Entwaffnend, ansteckend und berührend andere: Als „hinreißend spontan“ etwa lobt die Frankfurter Allgemeine die Sängerin und der Fernsehsender Arte widmete ihr einen eigenen Beitrag. Zeuls Debüt-Album „Nummer 1“ aus dem Jahr 2007 erntete ebenfalls erstklassige Kritiken.

Was die Begeisterung für Johanna Zeul ausmacht, ist dabei weniger ihre Musik. Ihre Kompositionen rufen zwar zuweilen NDW-Legenden wie Ideal oder Rio Reiser in Erinnerung, sind aber weder virtuos gespielt noch besonders unorthodox. Viel mehr ist es der Mensch Johanna Zeul selbst, den sie mit ungefilterter Authentizität und emotionaler Wucht auf ihr Publikum loslässt. Diese Frau hat nichts zu verbergen, viel zu sagen und möglichst alle sollen es sehen und hören. Um das vermitteln zu können, ließ Zeul sogar einen Major Deal sausen und gründete ihr eigenes Label „Gold und Tier“, auf dem sie demnächst ihr zweites Album veröffentlichen wird. In das Vermarktungsschema der Plattenindustrie würde sie wohl auch gar nicht passen.

Vielleicht ist Johanna Zeul deswegen so einzigartig und faszinierend, weil sie quasi der Gegenentwurf zu allem Künstlichen in ihrer Branche ist, zu Superstar-Castings, falschem Pathos und austauschbaren Songtexten.

Derzeit ist die Musikerin, die bezeichnenderweise einmal den Rio Reiser Songpreis gewann, mit ihrer kleinen Band auf Tour. Am Freitag macht sie Station in der kleinen Raststätte in der Lothringerstraße. Wer sie erleben will, sollte wohl deutlich vor 20 Uhr da sein.

Das Kontrastprogramm dazu gibt’s am Sonntagabend um 20.30 Uhr im Dumont: Zu Gast sein wird der junge Jazz-Pianist und Komponist Benedikt Jahnel. Dass der neben seinem Musikerdasein auch noch Mathematik studiert und sich dabei bevorzugt mit Wahrscheinlichkeitsrechnung auseinandersetzt, wäre nur eine Fußnote wert – würde sich dieser Umstand nicht in Jahnels Kompositionen widerspiegeln.

Dabei klingt Jahnels Musik keineswegs verkopft. Der Pianist, hiesigen Jazzfans vielleicht durch seine Gastspiele mit der Combo max.bab bekannt, gehört nicht zu den zwanghaften Innovatoren, die die abendländische Harmonik zum Teufel jagen wollen. Eher das Gegenteil ist der Fall: Gerade weil Jahnel seine Kompositionen teilweise mathematisch zu strukturieren scheint, werden diese letztlich zugänglicher.

Es ist der Gegensatz aus Rationalität und Sinnlichkeit, der die Faszination von Jahnels Musik ausmacht: Einerseits ist eine präzise Klangarchitektur hörbar, sind Stücke völlig klar und durchdacht strukturiert; andererseits ist immer auch das vorhanden, was im Deutschlandfunk als „Klangmalerei“ beschrieben wurde: Traumhafte Passagen, gefühlvoll und manchmal melancholisch, swingende Leichtigkeit, offenkundige Lust am Improvisieren. Trotz des mathematischen Unterbaus scheint diese Musik zu fließen und offene Räume zu suchen.

Ins Dumont kommt Jahnel in Trio-Formation: Der Spanier Antonio Miguel am Kontrabass und der kanadische Schlagzeuger Owen Howard sind dabei mehr als nur Stichwortgeber. Gemeinsam mit den gefragten Musikern der New Yorker Jazzszene nahm Jahnel auch das Album „Modular Concepts Songbook“ (2008) auf, das nicht nur in der Jazzszene hervorragende Kritiken und viele Anhänger gefunden hat.

Das Konzert des Benedikt Jahnel Trios im Dumont beginnt am kommenden Sonntag um 20.30 Uhr.

Keine Kommentare: